Pilz-Exkursionen


23.11.2019 - Breesener Moor

Letztes Wochenende waren wir mal wieder zum Pilzesuchen im Breesener Moor in Nordwestmecklenburg - wir, das sind Torsten Richter (Vorsitzender des Rehnaer Pilzvereins) und ich (Chris Engelhardt), einfacher Freizeitmykologe aus Lübeck. Mal wieder heißt, wir hatten dieses Gebiet in den letzten drei Jahren schon 15x gemeinsam aufgesucht, um die dortige Pilzwelt zu erkunden. Da das Torfabbaugebiet aktuell immer noch gemanagt wird, führen Änderungen der Wasserstände und größere Erdbewegungen immer wieder auch zu Änderungen in der Pilzflora. Bisher gab es bei unseren zwei- bis dreistündigen Exkursionen fast immer ganz besondere und überraschende Pilzarten zu entdecken - und auch dieses Mal, Ende November bei feucht-milder Witterung, sollte sich das Breesener Moor wieder als Highlight und Hotspot für ganz besondere Pilze erweisen! Schon auf dem kurzen Fußweg von der Straße ins Moor fällt uns rechter Hand ein größerer Bestand Beinwell auf – Torsten hatte schon im Kopf, was dort vielleicht zu finden sein könnte. Tatsächlich, schon nach ein oder zwei Minuten gezielter Suche an der Basis der Beinwellpflanzen finden wir beide zeitgleich die gesuchte Kostbarkeit: Hemimycena candida, einen hübschen kleinen Scheinhelmling, der an Wurzeln von Beinwell wächst. Auch die weiteren zweihundert Meter zum Moor sind wir versucht anzuhalten, weil zum Beispiel links aus der Hecke frische Judasohren leuchten, ein kräftiger Feuerschwamm zum Anschauen einlädt und an herabgefallenen Blättern und Zweigen so manche Kleinpilze zu vermuten sind. Wir wollen ja weiter, ins Moor, und hoffen dort in speziellen Habitaten und an besonderen Substraten wieder ungewöhnliche Pilze zu finden. Gleich zu Beginn fallen uns zwischen liegenden Juncus-Stängeln und auf torfigem Boden scharenweise kegelige Helmlinge auf - die nehme ich zur näheren Bestimmung mit. Die mikroskopische Untersuchung zu Hause zeigt, dass es sich tatsächlich um den „Kegeligen Helmling“. Mycena metata handelt. Die überall feucht liegenden Stängel haben aber noch mehr zu bieten: Auf alten Juncus-Stängeln wächst eine Hypocrea, offenbar mit grünen Sporen. Diese Arten sind mikroskopisch sehr interessant, weil sie 16-sporige Asci aufweisen. Nach einem im Internet gefundenen Schlüssel lande ich bestimmungstechnisch bei Hypocrea spinulosa. Ob das aktuell so (noch) stimmt, weiß ich nicht, denn wie so mancherorts hat sich taxonomisch und artentechnisch bei den Hypocreales in letzter Zeit doch einiges getan! Sehr hübsch anzusehen sind im moorigen Gelände die zahlreichen Torfmoos-Schwefelköpfe Hypholoma elongatum, von denen ich sicherheitshalber auch einige zur Bestimmung einsammle. Unter den kleineren Arten erfreuen mich noch auf einem von Torsten aufgehobenen Stängel die Fruchtkörper des Gemeinen Kugelschnellers Sphaerobolus stellatus. Als in diesem Moment eine rund 20-köpfige Wildschweinrotte nahe vorbeigaloppiert, haben wir den Eindruck, wir sollten unsere Pilzsuche vielleicht lieber auf der anderen Seite des Moores fortsetzen. Während aus der Ferne ein Kolkrabe ruft und ein Seeadler vorüberfliegt, notieren wir im Vorbeigehen noch „Allerweltsarten“ wie Rotrandigen Baumschwamm, Violetten Knorpelschichtpilz, Schmetterlingstramete, Grünblättrigen Schwefelkopf und Dickschaligen Kartoffelbovist. Unser Ziel ist ein größerer, inzwischen durch Entwässerung fast schon trocken gefallener Röhrichtbestand, wo wir in der Vergangenheit schon öfter tolle Funde gemacht haben. Und auch heute sollten wir nicht enttäuscht werden! Eines der Highlights für mich fand sich bald an jedem zehnten alten Schilfstängel. Dort wuchsen an vorjährigen, feucht liegenden Schilfblättern in Scharen kleine weiße Schirmpilzchen: Marasmius limosus, der Schilf-Schwindling, fühlt sich offenbar in genau diesem Habitat sauwohl. Ein abschließender Gang durch ein kleines Wäldchen am Ein- bzw. Ausgang des Moores erbrachte dann noch einmal Arten mit ganz anderen Habitatansprüchen. Am Waldrand zunächst in größerer Zahl auffällige Lacktrichterlinge, die ich zu Hause aufgrund der breitelliptisch bis subglobosen Sporen von 6,3-9 x 5,9-6,8 µ und angedeuteter lila Färbung im Schnitt der Stielbasis vorsichtig als Laccaria bicolor, den Zweifarbigen Lacktrichterling, ansprechen würde. Ihr könnte euch ja gerne das Foto hier nochmal anschauen. Warum ich nicht gleich darauf kam, dass es sich bei dem auffallenden weißen, auf der Unterseite zweifarbigen Porling, der dachziegelartig an einem liegenden Ast wuchs, tatsächlich um den Zweifarbigen Porling Gelatopora dichroa handelte, muss ich wohl meiner Vergesslichkeit zuschreiben – denn die Art habe ich in der Vergangenheit schon mehrmals gesehen. Als Torsten mir später den Namen verriet, fiel es mir natürlich gleich wieder ein. Ich meine, dass diese Zweifarbigkeit schon makroskopisch zumindest einen guten Hinweis auf die Identität des Pilzes gibt! Auch der Name eines weiteren, im Feld eigentlich schon eindeutigen Pilzes fiel uns beiden erst nachträglich ein: Bei der Exidia am Fichtenstamm handelte es sich um Exidia pithya, den Teerflecken-Drüsling. Bei Trockenheit sieht man von dem nur einen schwarzen Belag, aber jetzt bei dem feuchten Wetter zeigte er sich sehr schön aufgequollen. Tja, und das im Wäldchen liegende Totholz erwies sich bei näherem Hinsehen als alles andere als tot: Darauf lebten zahlreiche Arten wie Mycena speirea, Macrotyphula fistulosa, Chaetosphaerella phaeostroma, der Winterstielporling Polyporus brumalis und einige andere. Torsten, dem es besonders die kleinen Ascomyzeten angetan haben, findet und bestimmt noch Paorobiliopsis minuta auf harter Birkenrinde. Einige kleine Hutpilze mit kurzem lateralen Stiel kann Torsten gleich vor Ort als zur Gattung Simocybe gehörig ansprechen. Aber welche Art? Die Mikromerkmale wie Sporengröße gegen 11 µ, kopfige, an der Spitze maximal um 6 µ breite Cheilozystiden und das offenbare Fehlen deutlich blasiger Elemente in der Huthaut führen uns zu Simocybe haustellaris (Simocybe rubi). Merismodes confusa, der „Wirre Harrschüssselrasen“, lässt sich nur anhand der Sporenbreite von dem makroskopisch identischen „Gelbbraunen Haarschüsselrasen“ Merismodes anomala unterscheiden, war also auch etwas für die Nacharbeit zu Hause. Überhaupt kommen die eigentliche Bestimmungsarbeit und viele Aha-Effekte ja meist erst zu Hause, in den Tagen danach. So schreibt mir Torsten ein paar Tage später, als die meisten Funde nachbearbeitet und bestimmt sind, noch von weiteren Knallern: "...habe gerade auf dem Salixast mit Orbilia eucalypti einen Erstnachweis entdeckt: Hyphodiscua theiodeus.... habe ich noch nie gesehen!" Was bei Torsten einiges heißt! Und noch etwas später: "Ich habe gerade noch eine unbeschriebene Art unterm Mikro - aus Breesen natürlich!" Und dann: „Kein Wunder, wer sammelt schon in solchen Biotopen.....nur wir beide; und dann muss man auch noch die unbeachteten Substrate beachten..... unsere Wanderung war jedenfalls SUPER.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Bis zum nächsten Mal, wenn wir uns verabreden: „Auf nach Breesen!“

Sollte jemand Lust bekommen haben, selbst mal in einem solchen Biotop zu suchen, können wir das nur empfehlen - man findet jedenfalls andere Arten, als wenn man immer nur im Wald und auf der Wiese herumkriecht. Und sollte jemand in diesem Bericht bemerken, dass uns ein Fehler unterlaufen ist - gerne gleich heraus damit, denn wir lernen immer noch dazu. Das ist überhaupt das Großartige an der Mykologie: man sie nie völlig ausschöpfen kann, sondern immer wieder Neues findet.

 

Text: Chris Engelhardt aus Lübeck / Bilder: Torsten Richter und Chris Engelhardt


Pilzverein Rehna - Pilze suchen und Pilzwanderungen in Mecklenburg-Vorpommern - Bilder auf Ostseepilze
Torsten und Chris beim Erinnerungsfoto im Bressener Moor
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Blick über die ehemaligen Torfstiche
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Hemimycena candida / Rasiger Scheinhelmling an Beinwell
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Exidia pithya / Teerflecken-Drüsling
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Sphaerobolus stellatus / Gemeiner Kugelschneller
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Merismodes / Hängebecherchen
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Parorbiliopsis minuta an harter Birkenrindenkante
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Polyporus brumalis mal in die Poren geschaut
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Simocybe coniophora / Staubiger Olivschnitzling
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Gelatoporia dichroa / Zweifarbiger Knorpelporling
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Marasmius limosus / Schilf-Schwindling
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Hypholoma elongatum / Torfmoos-Schwefelkopf