Für Samstag, den 23. Juli stand ein Plan fest: Wir wollten Pilze suchen und bestenfalls auch finden! Mitten im Hochsommer und bei anhaltender Dürre sind die Chancen auf frische Pilze aber eher gering, also was tun? Drei Abgesandte vom Pilzverein Rehna überlegten sich, wo es noch genügend Wasser im Boden gibt und in welchem Biotop die Pilze auf uns warten könnten. In der Ostsee nach Pilzen tauchen wollte bestimmt niemand so wirklich und deswegen entschieden wir uns, dass wir mal eine Pilzexkursion ins Torfmoor machen. War dieses Gelände einst ein ödes Torfabbaugebiet, ist es heutzutage eine Oase für viele Pflanzen, Tiere, Moose und auch für Pilze geworden. Für Torsten Richter war es wie ein kleiner Blick in die Vergangenheit, hatte der Lehrer aus Rehna dieses Biotop doch schon vor 30 Jahren erkundet und erforscht. Zur damaligen Zeit standen allerdings die Moose im Vordergrund und so konnte Torsten damals mehr als 120 Moosarten in diesem Moor finden und bestimmen. Heute sollte es aber um die Pilze gehen und wir waren gespannt, was oder ob wir denn überhaupt etwas finden werden. Für Sandra war es, glaube ich, etwas ganz Neues in solch einem Habitat Pilze zu suchen und ich war in dieser Gegend auch noch nicht unterwegs. Die Wetterlage war auch in Ordnung, also alles beste Voraussetzungen für eine Runde durch das Moor.
Gleich zu Beginn eine große Überraschung. Die Autos am Rande geparkt und gerade einmal wenige Minuten gegangen, wurden die ersten kleinen Pilze am leicht bemoostem Waldweg gesichtet. Ein scharfer Blick durch die Lupen sorgte sofort für Begeisterung. Es musste sich um Moosbecherlinge der Gattung Lamprospora handeln. Da es aus dem Sommer nicht gerade viele Fundmeldung über die Gattung Lamprospora gibt, waren wir im Suchfieber.
Wir suchten noch ein paar Moosbecherlinge mehr, damit jeder etwas zum Mikroskopieren mitnehmen konnte. Nach der Bestimmungsarbeit am spätem Nachmittag stellte sich heraus, dass es sich um Lamprospora verrucispora handelte und damit ist dieser Fund ein Erstnachweis für das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Es wachsen also Pilze! Hoch motiviert ging es weiter in das feuchte Innere des Torfmoores.
Während Torsten eine Stelle mit vielen Schleimpilzen (Arcyria cinerea) fand und am Fundort fotografieren wollte, suchten wir weiter und schon gab es die nächsten kleinen Arten zu bestaunen. An einem nassen Stock waren rote Schildborstlinge und Sandra entdeckte an diesem Zuhause noch eine gelbliche Überraschung - Polyphager Phaeohelotium. Hans-Otto Baral (Zotto) aus Tübingen hat die Bestimmung vorgenommen, dafür danken wir ihm.
An dieser Stelle hatte Torsten noch drei verschiedene graue Weichbecherlinge mitgenommen und später als Mollisia retincola, Mollisia mediella und Mollisia hydrophila bestimmt. Kurz angemerkt: Zu diesem Zeitpunkt waren unsere Sammeldosen bereits mehr als voll und wir hätten ab jetzt überhaupt nichts mehr finden dürfen.
Typisch für feuchte Bruchwald- und Moorgebüsche, scheint auch ein gesellig wachsender Becher zu sein. Lachnum pudibundum wächst gerne an abgestorbenen Weidenästchen, die auf schlammigem Boden liegen. Eine Augenweide, aber leider sind sie nur mikroskopisch von ähnlichen Arten sicher zu unterscheiden. Ebenfalls auf einem liegenden Stock im Schlamm wuchs der nächste Erstnachweis für M-V, kleine rosa Knopfbecherlinge (Orbilia rosea).
Wir setzten wieder die Segel und machten Kurs auf unser eigentliches Hauptziel, nämlich die alten Torfstiche mit ihren wunderschönen Torfmoosen. Vorbei an Hunderten Heidelbeersträuchern kamen wir endlich an. Was war das für ein toller Anblick. Flächendeckend gab es Heidekraut, Sonnentau, Moosbeeren ... und Pilze!
Man sollte sich aber in dieser Idylle nicht blauäugig fortbewegen, denn unter den Füßen ist Moor. Der Boden ist weich und es geht sich wie auf einem riesigen Pudding. Ein Schritt zuviel oder zu doll aufgetreten kann schon gefährlich werden. Alleine sollte da lieber keiner unterwegs sein. Soviel kann ich verraten, keiner von uns hatte am Ende noch trockene Socken oder Hose an. In wassergefüllten Torfstichen lebt der seltene, fleischfressende Wasserschlauch und die winzige Teichnapfschnecke (Acroloxus lacustris) wurde am Moorseerand auf einem Schilfhalm gefunden.
Nach vorsichtigem Herantasten konnten gleich wieder schöne Pilze gefunden werden, bunte saftige Pilze. Es waren viele Torfmoos-Saftlinge (Hygrocybe coccineocrenata). Wow, das sind doch mal satte Farben oder? Die kleinen Saftlinge waren rot wie reife Kirschen und bei den ausgewachsenen Exemplaren konnte man wunderbar den welligen Hutrand sehen, welchen Sandra auch echt fantastisch im Bild festgehalten hat.
Wir hatten anfangs die spaßige Idee, Becherlinge an Torfmoos zu finden oder wenigstens an der Moosbeere (Vaccinium). Auf der Suche danach konnte man immer wieder Torfmoos-Häublinge finden oder
wir machten Bilder von schönen Sonnentau. Neben Galerina tibiicystis gab es auch Galerina paludosa. Dieser hübsche Häubling wuchs in einem Torfstich in einem Polster aus Sphagnum fallax. Der Hut
ist etwas schorfig-filzig im Vergleich zu G. tibiicystis.
Dann doch, damit hatte wohl keiner wirklich gerechnet: Blaugrüne Becherlinge (Hypocrea aeruginea) an Torfmoos. Unten im Bild kann man sehr schön das Wirtsmoos mit Sporenkapseln sehen und an dessen Stängeln wuchsen die kleinen Becherlinge. Zuerst gab es lange Zeit nur ein Exemplar, aber wir suchten so lange, bis wir am Ende eine gute Kollektion zum Bestimmen und zum Trocknen zusammen hatten. Fünf Erstfunde für M-V an einem Tag reichen! Da wir drei ein wenig erschöpft waren, entschlossen wir uns, die Heimreise anzutreten. Wir machten nur noch ein Erinnerungsfoto, und dann seppelten wir zufrieden entlang der Heidelbeersträucher zurück zu unseren Autos.
Wir sagen tschüss, ahoi und bis zum nächsten Mal * Sandra, Torsten & Christian